eSeLs Tagebuch
Donnerstag, 28. August 2003
Kunst mit System

Abstraction Now!
im Künstlerhaus Wien
Karlsplatz 5, Wien

29.8. - 28.9.2003
Mo-So 10-18h, Do 10-21h
abstraction-now.net
Filmprogramm "Maths in Motion"

Unter Abstrakter Kunst (engl. "abstraction") verstand der eSeL bisher
a) expressives Veräußern von Farben (und Künstlerseele) auf Leinwand oder
b) - die intellektuelle Variante - beinhart kalkulierte Mini-Universen, wo jeder Pinselstrich als Teil eines Gesamtuniversums genau dort zu landen hatte, wo er im "Masterplan" hingehört. Das Stichwort "Masterplan" bitte merken.

Heutzutage (engl. "now") gibt es den Computer und RGB-Displays statt Farbpigment und bietet sich mathematisch präzise Rechenpower verführerisch als Ersatz für händische Willkür an. An diesem Punkt, pardon: Pixel setzt die aktuelle Ausstellung "Abstraction Now!" im Künstlerhaus Wien an.

Erstmals werden auch jene künstlerische Outputs als "Abstraktion" präsentiert, die weniger daran interessiert sind innerhalb des Kunstwerk-Rahmens ihre Spuren zu hinterlassen, sondern lieber am Gesamtsystem herumtüfteln, das mathematisch klar bestimmt, WAS in diesem Rahmen dann passiert.
Stichwort: Masterplan Update 2003. Der Künstler "programmiert" gezielte Abläufe die gemeinsam mit geplanten Zufälle und manchmal sogar den "Users" (früher: Betrachtern) bestimmen was IM Kunstwerk flimmert, fiept oder sonstwie wahrzunehmen ist.
So wird auch der Betrachter gezwungen mehr über die Entstehungsbedingungen als über das sicht- oder hörbare Endresultat zu grübeln.

Auffallend, dass viele der gezeigten Systemtüftler, die ihre eigentliche Arbeit "außerhalb" des eigentlichen Kunstwerkes vollbringen, auch außerhalb des Systems "Kunstbetrieb" funktionieren, zB. als Elektromusiker, Netzkünstler oder Designer.

Dass dem eSeL diese Ausstellung ohnehin angenehm "hip" und entspannt "cool" erscheint, zeigt wie sehr wir diese "Ästhetik" ohnehin längst inhaliert haben.

Dabei ist die Show - mal abgesehen von den feschen Flatdisplays, und der entzückenden Low-Tech-Architektur - eigentlich staubtrocken. Besonders trocken zur Pressebegehung, als die "Bedienungsanleitungen" bzw. Entstehungsgeschichte der gezeigten Werke noch nicht mal aufgeklebt waren.

Welche Parameter im System Künstlerhaus wirken, das den Medienrummel um seine "coole" Themenausstellung gezielt mit einer Hilferuf um endlich ausreichende Subventionen verbindet, kann der eSeL nur erahnen. Die Medien spekulieren über den Farbkontrast zwischen Blau-Schwarz (Bund) und Rot (Stadt Wien), und welcher politisch Verantwortliche die notwendigen Subventionen auf den Tisch legen soll, die seit dem Rückzug des Kunsthistorischen Museums als Mieter für Großausstellungen große Löcher ins Budget gerissen haben. Der Staatssekretär hätte eh erhöht, obwohl das ja eigentlich eine Wiener Angelegenheit wäre, aber wiederum nicht so verdoppelt wie der Wiener Stadtrat, der deswegen nicht mehr zahlen will, usw.
"Maths in Motion" heißt übrigens auch die Reihe abstraker Filmkunst, die Freitags und Samstags im Künstlerhaus-Kino ablaufen.

Die Sache ist trotzdem - oder gerade deshalb - sehr ernst und die Pressesprecherin des Künstlerhaus bereits auf Jobsuche. Mit fixem Budget ließe sich zudem besser um jene Flächen streiten, die derzeit unterirdisch zwischen Historischem Museum und Künstlerhaus als "Kunstplatz Karlsplatz" verteilt werden. Welche Kräfte hier nach welchem "Masterplan" wirken, bleibt weiterhin ein großes Geheimnis. Das Endresultat wird der eSeL wohl irgendwann präsentiert bekommen. Ob sich dann auch Rückschlüsse auf die Kräfte in diesem System ziehen lassen? Oder war das jetzt zu abstrakt?

eSeLs Bildberichterstattung | abstraction-now.net | Künstlerhaus |Filmprogramm "Maths in Motion"

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Last modified: 28.04.03, 14:55
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